Das Projekt – ein Überblick

Bis 25. Dezember 2022 muss die Richtlinie (EU) 2020/1828 („Verbandsklagen-Richtlinie“) von den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden, bis 25. Juni müssen die entsprechenden nationalen Regelungen angewendet werden. Den österreichischen Gesetzgeber zwingt die Richtlinie dazu, einen Mechanismus zur echten kollektiven Abhandlung massenhafter Leistungsansprüche zu schaffen. Für den österreichischen Zivilprozess, der bisher durchwegs vom Ideal des Individualprozesses zwischen einem Kläger und einer Beklagten beherrscht ist, bedeutet dies einen tiefen Einschnitt.

Das hier vorgestellte Projekt nimmt diese Entwicklung zum Anlass einer rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Aspekten der Organisation und Gestaltung von Instrumenten kollektiver Rechtsdurchsetzung.

Das Projekt wird finanziert durch Mittel des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (Projektnummer 18812) und wird unter der Leitung von Ass.-Prof. Dr. Florian Scholz-Berger am Institut für Zivilverfahrensrecht der Universität Wien durchgeführt.

Das Thema

In den letzten Jahren wird die massenhafte Verfolgung gleichartiger Ansprüche in der österreichischen und europäischen Rechtspraxis immer präsenter. Prominente Beispiele dafür sind etwa die Prozesslawinen gegen Autohersteller wegen des Vorwurfes von Abgasmanipulationen oder massenhafte und teilweise gebündelten Klagen gegen Emmitent*innen und Anlageberater*innen aufgrund von enttäuschten Anleger*innenerwartungen. Während in vielen anderen Staaten auf diese Entwicklung reagiert und Instrumente zur effizienten Abwicklung derartiger Fälle bereitgestellt hat, blieb es in Österreich bislang weitgehend bei von der Praxis entwickelten Behelfslösungen. Die Richtlinie (EU) 2020/1828 ("Verbandsklagen-Richtlinie") verpflichtet nunmehr die Mitgliedstaaten, und damit auch den österreichischen Gesetzgeber, unter anderem dazu eine kollektiven Leistungsklage einzuführen. Diese Verpflichtung ist zwar aufgrund des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf den Bereich der Durchsetzung von Unionsverbraucher*innenrecht beschränkt. Ungeachtet dessen stellt die bevorstehende Umsetzung der Richtlinie für das österreichische Zivilprozessrecht, das bisher durchwegs vom Ideal des Individualprozesses zwischen zwei Parteien beherrscht ist, eine Zäsur dar.

Das Ziel

Das hier vorgestellte Projekt, nimmt diese Entwicklung zum Anlass für eine umfassende rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Aspekten der Organisation und Gestaltung kollektiver Rechtsdurchsetzung. Ziel ist in einem ersten Schritt eine wissenschaftlichen Aufarbeitung und Evaluierung des Umsetzungsvorschlages sowie eine dogmatische Analyse der letztlich vom Gesetzgeber beschlossenen Implementierung. Darüber hinaus sollen aber auch Impulse für eine weitere Entwicklung des kollektiven Rechtsschutzes in Österreich gegeben werden.

Die Fragestellungen

Dem nationalen Gesetzgeber eröffnet die Richtlinie einen weiten Umsetzungsspielraum. Gleichzeitig sind viele Vorgaben hochgradig interpretationsbedürftig. Es stellt sich eine ganze Fülle von Fragen. Im Fokus dieses Projekts stehen all jene, die die rechtlichen Rahmenbedingungen der Organisation kollektiver Klagen betreffen: Die Voraussetzungen und Modalitäten des Beitritts, die Finanzierung solcher Klagen sowie Fragen der Konsolidierung bzw der Koordination von Parallelverfahren.