Deutschland: Referentenentwurf präsentiert Verbandsklage

23.02.2023

Während Österreich noch auf einen Umsetzungsentwurf wartet, stellt Deutschland nach langen internen Diskussionen die Umsetzung der Verbandsklage vor – die Details im Überblick.

Das deutsche Bundesjustizministerium veröffentlichte am 16. Februar 2023 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 (Verbandsklagen-RL).[1] Eine Version des Entwurfes liegt dort zwar seit September 2022 vor, doch die Ressortabstimmung – und damit die Veröffentlichung – scheiterte bis vor Kurzem an Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition.[2] Im Zentrum des Umsetzungsentwurfs steht das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG). Darin sollen zukünftig die bisherigen Regeln zur Musterfeststellungsklage mit jenen der neuen Abhilfeverbandsklage gebündelt werden.

Im Vorfeld besonders umstritten war der Zeitpunkt, bis zu dem sich die Verbraucher*innen zur Verbandsklage anmelden können. Bis zum Ablauf des Tages vor Beginn der ersten mündlichen Verhandlung soll die Anmeldung zum Verbandsklagenregister möglich sein.[3] Die Regelung sorgt für frühzeitige Rechtssicherheit für Unternehmen und potenzielle Prozessfinanzierer, stieß im Vorhinein aber auf Kritik der Bundestagsfraktion der Grünen, die eine spätere Möglichkeit zum Opt-in für verbraucherfreundlicher und effektiver hielt.[4]

Der deutsche Umsetzungsentwurf sieht zudem eine Hemmung der Verjährung für Verbraucher*innen vor, die sich der Verbandsklage angeschlossen haben.[5] Auch dieser Punkt stand in der Kritik der Grünen, die eine Verjährungshemmung für alle in der Sache betroffenen Verbraucher*innen bevorzugt hätten. „[B]etroffen“ iSd Art 16 VerbandsklagenRL sei „wohl eher, wer tatsächlich das fehlerhafte Produkt gekauft oder die rechtswidrigen AGB unterschrieben hat und nicht, wer sich zur Klage angemeldet hat“[6], kritisierte etwa der Bundestagsabgeordnete Till Steffen vom Bündnis 90/Die Grünen.

Nach dem Umsetzungsentwurf sollen kleine Unternehmen Verbraucher*innen gleichgestellt sein, sofern sie weniger als 50 Personen beschäftigen und ihr Jahresumsatz 10 Millionen Euro nicht übersteigt.[7] Zudem soll ab Rechtsanhängigkeit einer Verbandsklage eine Sperrwirkung greifen: Gegen den beklagten Unternehmer kann keine weitere Verbandsklage erhoben werden, die den selben Streitgegenstand betrifft.[8] Prozessfinanzierung durch Dritte ist nach dem Entwurf grundsätzlich zulässig, wenn auch beschränkt durch die Vorgaben, die in Art 10 VerbandsklagenRL festgelegt sind.[9]

Interessierte Kreise haben nun die Gelegenheit, bis zum 3. März 2023 Stellung zu dem Referentenentwurf zu nehmen.[10] Indessen wartet Österreich noch immer auf die Veröffentlichung eines entsprechenden Umsetzungsentwurfs, wodurch eine rechtzeitige Anwendbarkeit der Bestimmungen bis 25. Juni 2023[11] nun fast unmöglich erscheint und ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH[12] zu einem realistischen Szenario wird.


[1] Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz – VRUG), https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/VRUG.html (abgerufen am 21.02.2023).

[2] Dahmen/Lührig, Verbandsklagen: Referentenentwurf stellt „Abhilfeklage“ vor, https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/verbandsklagen-referentenentwurf-abhilfeklage (abgerufen am 21.02.2023).

[3] § 46 Abs 1 VDuG.

[4] Suliak, Ampel streitet über neue Verbandsklage: Droht Deutschland ein EU-Vertragsverletzungsverfahren? https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/verbandsklage-abhilfeklage-eu-richtlinie-verbraucherschutz-bmj-referentenentwurf-ressortabstimmung/ (abgerufen am 21.02.2023).

[5] § 204a BGB; vgl Art 16 Verbandsklagen-RL.

[6] Suliak, Ampel streitet über neue Verbandsklage: Droht Deutschland ein EU-Vertragsverletzungsverfahren? https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/verbandsklage-abhilfeklage-eu-richtlinie-verbraucherschutz-bmj-referentenentwurf-ressortabstimmung/ (abgerufen am 21.02.2023).

[7] § 1 Abs 2 VDuG.

[8] § 8 VDuG.

[9] § 4 Abs 2 und 3 VDuG.

[10] Bundesministerium der Justiz, Pressemeldung 16. Februar 2023: Schnellere und einfachere Klagemöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher, https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/0216_Verbandsklage.html (abgerufen am 21.02.2023).

[11] Art 24 Abs 1 VerbandsklagenRL.

[12] Scholz-Berger/Hotter, Verbandsklagen-RL: Kommission geht gegen säumige Mitgliedstaaten vor, https://collective-redress.univie.ac.at/news/detailansicht/news/verbandsklagen-rl-kommission-geht-gegen-saeumige-mitgliedstaaten-vor/ (abgerufen am 21.02.2023).

Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel / photothek